Der knappste Fast-Sieg bislang überhaupt

13. August 2006

Der Pokal hat seine eigenen Besitzer. Diese zu Unrecht selten formulierte Regel hat zumindest für den Ligapokal der Hobbyliga Duisburg ihre Berechtigung. Die Besitzer waren und sind die Deserteure Duisburg, die in einem hart umkämpften Endspiel ihren Titel erfolgreich verteidigten. Mit dem späten Ausgleich zum 4:4 schossen die Seriensieger Hobby Hamborn aus den schönsten Pokalträumen und ließen in der anschließenden Verlängerung nichts mehr anbrennen. 8:4 hieß es am Ende für den Meister und Tabellenführer, der aber lange Zeit am Rande der Niederlage oder zumindest am Rande des Nervenverlusts stand.


Edelfan Ingo Hörsken steht hier im Fünfmeterraum und füllt seinen Flachmann mit besten Duisburger Regenwasser auf
Das von der Ligaleitung als Highlight des "Festivals des Freizeitfußballs" auf der Anlage von DSV Duisburg 1900 angekündigte Hobbypokalendspiel offenbarte eher mittelmäßige Rahmenbedingungen. Der Platz stand schon vor dem Anpfiff unter Wasser, Eckfahnen gab es nicht, die Linien wurden zwar extra vor Spielbeginn nachgezogen, waren Minuten später aber nur noch zu erahnen und der hochmotivierte Schiedsrichter ließ beiden Teams bei strömendem Regen satte drei Minuten Aufwärmzeit. Dafür gab es vorher eine Ansprache der Organisatoren an die Teams mit der Bitte, doch fair zu spielen. Immerhin.

Perfekte Bedingungen also für den lang herbeigesehnten Saisonhöhepunkt, zu dem Hamborn einige personelle Umstellungen vornehmen musste. Im Mittelfeld fehlten die mit grandiosen Spielmacherqualitäten auf die Welt gekommenen Thomas Yalim und Tobias Salzburger urlaubsbedingt, in Stefan Diebels stand ein weiterer Akteur nicht zur Verfügung. Den gesperrten Keeper Dirk Weyers ersetzte wie schon im Ligaspiel vor Wochenfrist Ersatztorsteher Mario Lenski. Aus den 15 anwesenden und kampfbereiten Hobbies ergab sich eine ausgeklügelte 3-5-2-Formation mit vier Reservisten, die sich unter Edelfan Ingo Hörskens Regenschirm und einem Baum ein halbwegs trockenes Plätzchen suchten.

Wie schon bei der 0:3-Niederlage am vergangenen Samstag präsentierten sich die Hamborner den Deserteuren als guter bis gleichwertiger Gegner. Von Beginn an agierten die Blauen aus einer sicher gestaffelten Abwehr heraus selber in der Offensive, was in der 18. Minute etwas überraschend belohnt wurde. Frank Sleyfer hatte den Ball schön mit der Hand gestoppt und zu Boris Martinovic gepasst, dieser schickte den im Abseits stehenden Guido Cassel auf die Reise Richtung gegnerisches Tor. Dort kam Cassel dann auch schnell an und weil der Schiedsrichter partout nicht abpfeifen wollte, schob er den Ball am Keeper vorbei zur umjubelten 1:0-Führung. Diese hatte trotz einiger Chancen, eher drüben als hüben, bis zur Pause Bestand. Teufelskerl Lenski hatte sein Team mehrmals mit Seelenruhe und Blitzreflexen vor dem möglichen Ausgleich bewahrt und hielt sein überflutetes Tor sauber.

"Schließlich spielt der größte Teil meines Kaders
in der Freizeit eh bei denen mit."

Thomas Przystupas Erklärung, warum er sein
Kicker-Managerteam 'Deserteure Duisburg' nannte

Wesentlich mehr passierte dann unmittelbar nach dem Seitenwechsel. Zunächst rutschte ein Freistoß der Deserteure von der rechten Außenbahn vorbei an Wurst und Käse zum 1:1 ins lenskische Gehäuse, wenig später dezimierten sich die Favoriten dann nicht ganz so clever selber. Ein offenbar mit aufbrausendem Temperament ausgestatteter Deserteur wurde von Kapitän Michael Bumen gefoult und warf diesem anschließend eine Hand voll Asche ins Gesicht. Pfui - Bumen sah Gelb, der Deserteur Rot und die Zuschauer in der Folge ein rasantes Finale mit allerlei Höhe- und Tiefpunkten.

Zunächst war wieder Hamborn an der Reihe. Der alles überragende Cassel traf per Kopf nach feiner Flanke seines heute enorm spielfreudigen Sturmpartners Boris Martinovic zum 2:1, was von den durchnässten Fans ähnlich euphorisch bejubelt wurde wie zuvor bereits das 1:0. Die Antwort der Deserteure gab dann Hamborns Frank Sleyfer: Der Routinier vertendelte im eigenen Strafraum einen zuvor eroberten Ball und Libero Bumen musste den einschusswilligen Deserteurestürmer per Foul stoppen. Der berechtigte Elfmeter wurde locker zum 2:2 verwandelt, Bumen hatte Glück, nicht mit Gelb-Rot vom Platz zu müssen. Dieses Glück hatte er auch noch bei zwei weiteren gelbwürdigen Fouls im Spielverlauf, aber scheinbar hatte sich der Schiedsrichter fest vorgenommen, nach dem Aschewerfer keine weiteren Spieler des Feldes zu verweisen. Dabei hätte das Spiel dies durchaus hergegeben: Der Rechtsaußen der Deserteure fiel mit zunehmender Spieldauer vorrangig durch Frustfouls auf und war ein klarer Rot-Kandidat, generell wurde in der umkämpften Partie der Ton rauer. Für Meckern, Kartenfordern und kleinere Fouls wären weitere Verwarnungen angemessen gewesen.


Drei Tore und einmal Pfütze für Guido Cassel
Zum dritten Mal durften die zahlreichen Hamborner Anhänger dann in der 66. Spielminute vom Pokalgewinn träumen. Der eingewechselte Thomas Przystupa hatte maßgenau auf den Kopf von Cassel geflankt und dieser traf zum dritten Mal zur Hobby-Führung. Die dritte Ernüchterung folgte aber schon kurze Zeit später, als nach einer Ecke ein Deserteur aus kurzer Distanz zum erneuten Ausgleich einköpfte. Es blieb spannend bis in die Endphase. Philipp Greis schickte Cassel mit einem schönen Steilpass, dieser ließ seine Gegenspieler wie schon während des gesamten Spiels alt aussehen und schob den Ball vorbei am chancenlosen Torwart Richtung Tor. Der Jubel war groß, der Ball aber noch nicht hinter der Linie, sondern noch in der ententeichgroßen und -tiefen Pfütze, die sich dort befand, wo bei echten Fußballfeldern der Fünfmeterraum ist. Przystupa realisierte diesen Sachverhalt am schnellsten, warf sich mutig in die Fluten und ömmelte den Ball mit dem rechten Fuß irgendwie ins Tor.

Hamborn vollzog wenig später den letzten seiner vier Wechsel und stand in der Schlussphase gegen dezimierte Gegner stark unter Druck. Ein langer Pass brachte dann drei Minuten vor Spielende das Unheil. Der Deserteurestürmer war schneller als sein Hamborner Gegenspieler, dribbelte an Keeper Lenski vorbei und schoss das Leder Richtung Tor. Zunächst konnte der mitgeeilte Matthias Nisbach noch mit einer beherzten Grätsche klären, im Nachschuss war er dann ebenso machtlos wie Grätschenkollege Michael Schlemann, der ebenfalls kurz vor der Torlinie im Wasser lag. Bis zum Ende der regulären Spielzeit geschah dann nichts mehr.

"Ihr habt doch schon vier Gegentore bekommen.
Da wollt ihr echt noch weiterspielen?"

Frank Sleyfer vor der Verlängerung
zu den Deserteuren

Hamborn geknickt, die Deserteure mit Oberwasser, was nicht nur ein komischer Ausdruck für Überlegenheit ist, sondern in diesem Falle auch ein ganz primitiver Wortwitz über das Wetter. Weitere, in diesem Spielbericht aber nicht benutzte Wetterhumoranspielungen: "Der Sieg ist in trockenen Tüchern", "die Abwehr schwamm", "ein trockener Schuss", "Hamborn ging baden" und "das Tor war Wasser auf die Mühlen der Deserteure". Nach einer längeren Diskussion, ob denn nun Verlängerung oder Elfmeterschießen angesagt sei, wurde die Partie um 30 Minuten verlängert, was nicht allen Beteiligten ein Anliegen war. Die Hobbies hätten gerne elfmetert, die Deserteure waren sich in dieser wichtigen Staatsangelegenheit zunächst uneinig, dann aber fast einig und so kam es in der Extrazeit, wie es kommen musste. Die Deserteure fanden zur gewohnten Sicherheit und Souveranität in ihrem Spiel zurück, während Hamborns Spieler entweder müde, demoralisiert oder überfordert waren. Zudem musste Przystupa mit einer leichten Zerrung noch raus, so war auch die nummerische Überzahl (gibt es nummerisches Oberwasser?) für die Katz. Ein frühes Kopfballtor und ein umstrittener, aber locker verwandelter Elfmeter sorgten für die schnelle Entscheidung; zwei weitere Tore fielen noch, interessierten aber höchstens noch die Statistikfreunde unter den Deserteuren. 8:4 hieß es am Ende, was deutlich klingt, deutlich ist und deutlich nicht verdeutlich, dass es auf dem Platz deutlich spitzaufknopfiger zugegangen war.

Hamborn bekam eine Urkunde, die sie als Pokalzweiter ausweist, sowie anerkennendes und wohlwollendes Schulterklopfen der Sieger. Die favorisierten Deserteure mussten für ihre erfolgreiche Titelverteidigung an ihre Grenzen gehen, wirkten phasenweise nervös und gereizt, was man sonst in dieser Vehemenz nie von ihnen sieht. Belege für diese nicht sonderlich gewagte These sind das permanente Reklamieren und das Fordern von Gelben bis Roten Karten sowie Elfmetern in nahezu jeder Zweikampfszene. Erst in der Verlängerung waren die Deserteure dann das klar überlegene Team und zeigten den wacker kämpfenden Hobbies spielerisch die Grenzen auf. Drei Minuten fehlten den Blauen in der regulären Spielzeit zur kleinen Sensation und zum nicht besonders schönen, dafür aber recht großen Pokal.

Einmal mehr hätte Hamborn die Deserteure fast geschlagen. Im Pokalhalbfinale des Vorjahres hätte es schon fast gereicht, ein spätes Eigentor verhinderte aber den Triumph. Im Freundschaftsspiel Mitte November 2005 (3:4) war ebenfalls fast ein Sieg möglich, oder so ähnlich. Im Ligaspiel der Vorwoche stand es lange Zeit nur 0:1, was einige Hobby-Akteure zu dem Fazit brachte, dass sie dem Sieg immer näher kommen würden. Fast könnte man das glauben. Das Schlimmste ist aber, dass man diese verdammte Urkunde nicht mit Bier füllen kann.

Hobby Hamborn - Deserteure Duisburg 4:8 n.V. (1:0, 4:4)
Hobby Hamborn: Mario Lenski - Erik Engler, Michael Bumen, Matthias Nisbach - Frank Sleyfer (70. Marius Niedoba), Markus Blümlein (66. Christoph Schurse) - Sebastian Engels (58. Thomas Przystupa), Michael Schlemann, Philipp Greis (80. Ben Binkle) - Boris Martinovic, Guido Cassel

Deserteure Duisburg: Aufstellung unbekannt

Tore:

1:0 Cassel (18. Minute/Vorlage Martinovic)
1:1 (49.)
2:1 Cassel (55./Martinovic)
2:2 (59./Foulelfmeter)
3:2 Cassel (66./Przystupa)
3:3 (70.)
4:3 Przystupa (77./Cassel)
4:4 (87.)
4:5 (96.)
4:6 (101./Foulelfmeter)
4:7 (103.)
4:8 (111.)

Startaufstellung:

Lenski

Engler

Bumen

Nisbach

Sleyfer

Blümlein

Engels

Schlemann

Greis

Cassel

Martinovic

Reserve: Niedoba, Schurse, Przystupa, Binkle
Spieler des Spiels:

Spieler des Spiels: Guido Cassel

Guido Cassel

Schoss drei - eigentlich sogar vier - Tore und war der beste Spieler auf dem Platz. Einsame Klasse, wie er sich immer wieder durchsetzte und souverän abschloss.

Gelbe Karten:
Bumen (Foulspiel), Cassel (Meckern), zwei Deserteure (Foulspiel/Meckern)

Platzverweise:
Rot für einen Deserteur (51. Unsportliches Verhalten)

Besondere Vorkommnisse:
Przystupa scheidet verletzt aus (99.) und Hamborn spielt zu zehnt weiter

Zuschauer:
Etwa 15 - Edelfan Ingo Hörsken, Lioba, Nadine Neumann, Manuela Schepers, Bianca Brassmann, Filip Scheperjans und weitere Anhänger der Hobbies, dazu ein paar neutrale Zuschauer

Platzanlage:
Ascheplatz von Duisburg 1900

Wetter:
Dauerregen


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